Ich sitze im Zug Richtung Wien, denn dort treffe ich an der Technischen Universität Wien (TU Wien) auf berufstätige Menschen, die sich seit einigen Monaten einen akademischen Abschluss des Masterlehrgangs „Mobility Transformation“ erarbeiten. Sie lernen zur Mobility Transformation über Infrastrukturen, Finanzen und Technik. Heute, am 24.06., unterrichte ich und die lebenserfahrenen Student*innen zeigen sich überrascht: Heute gibt es wenig Technik aber viel Soziologie, Psychologie und Kommunikation, denn wir beschäftigen uns mit der Gesellschaft.
„Warum aber müssen wir, wenn wir über Mobilität sprechen, auch über Gesellschaft sprechen“, frage ich? „Klar, weil Mobilität vor allem soziale Praxis, erlernte Kulturtechnik ist und sie zeigt heute, wie wir uns die Gesellschaft morgen vorstellen. Die Systemtheorie und Transformationsmodelle helfen uns dieses zu verstehen, sind aber manchmal abstrakt.“ Ganz konkret wird es, wenn ich nach der Mobilitätsbiografie frage und zu einer ersten Übung einlade:
„Mache einen Rückblick auf dein eigenes Leben und deine Mobilität, wann wurde welches Transportmittel von dir erstmals genützt und weshalb wurde dieses durch das Nächste abgelöst?“
Die Studient*innen erzählen ihre bunten Biografien. Manche unterscheiden sind mehr als andere. Der junge deutsche Mann aus Bonn hat beispielsweise kein Auto, er nützt aber häufig das Flugzeug und beginnt sich nach knapp 250 Flügen aufgrund seines ökologischen Gewissens einzuschränken. Für die Logistik-Managerin mit slowakischen Wurzeln war das Autofahren Langezeit ein Luxus, denn Autos kosteten in ihrer Heimat so viel Geld wie ganze Häuser nicht kosteten. Für sie war Radfahren in ihrer jungen Erwachsenenzeit die große Freiheit, heute hat sie Familie und nützt ihr eigenes Auto, Radfahren mag sie immer noch.
Gemeinsam haben die Biografien, dass sie sich im Laufe des Lebens immer wieder verändern. Fälschlicherweise nimmt man sie als Konstante wahr, was sie nicht sind. „Biografiebrüche“ in der Mobilität finden wir in geänderten Lebensumständen, wie dem Beginn einer Ausbildung, dem Umzug in eine andere Gemeinde, dem Jobwechsel, der Familiengründung oder dem Eintritt in die Pension. Diese „Brüche“ sind der Start von etwas Neuem und damit auch ein Beginn für neue Handlungsoptionen, die auch die TU — Student*innen aus meiner Vorlesung „Gesellschaftliche Transformation“ durch die Entscheidung diese Ausbildung zu machen, erfahren.
Titelbild: Mika-Baumeister auf Unsplash